Pfarrer
Anton von Bucher in Engelbrechtsmünster Ein
von Goethe bewunderter Satiriker „Wie
ist es möglich, dass solch ein Mann mir so lange verborgen bleiben konnte?“ rief Goethe verwundert aus,
als ihm Clemens Brentano aus dem Sündflutspiel des Dichters Anton von Bucher
vorgelesen hatte. So berichtet es uns Johann Nepomuk Ringseis
in seinen Lebenserinnerungen, und es besteht kein Grund, an der Glaubwürdigkeit
der Nachricht zu zweifeln.. Denn auch ein anderer
anerkannter Autor jener Zeit, Jean Paul, hat (in seiner Schrift „Vorschule der
Ästhetik“) den Witz und die Beobachtungskunde Buchers gerühmt. Der mit so viel Lob von
höchster Stelle bedachte und heute leider fast völlig vergessene Dichter lebte
lange Zeit in unserem Landkreis, er war von 1778 bis 1813 Pfarrherr der
Gemeinde Engelbrechtsmünster. Jugend und frühe Karriere in München Anton
von Bucher wurde am 11.01.1746 in München geboren. Sein Vater stand als Miniaturmaler
in so hohem Ansehen, dass er in den Adelsstand erhoben wurde. 1757 trat Bucher
als Schüler in das Jesuitengymnasium in München ein; Zeugnisse wiesen ihn als
einen vorzüglichen Schüler aus, der auch für sein Verhalten höchstes Lob
erhielt. Doch die Unfreiheit und geistige Unterdrückung, denen sich viele
Schüler durch ihre Lehrer, die Jesuiten, ausgesetzt fühlten, erregten den
inneren Widerstand Buchers: Er begeisterte sich mit Gleichgesinnten für die
neuen Ideen der Zeit, für die Aufklärung, die Befreiung von geistiger Bevormundung, die Herrschaft der
Vernunft und der Toleranz. Bereits in seiner Gymnasialzeit schloss er seine
lebenslange Freundschaft mit dem späteren Historiker Lorenz von Westenrieder, der dieselben Ideale vertrat. Nach
dem Studium der Theologie an der Universität in Ingolstadt erhielt Bucher eine
Anstellung als Kaplan an der Hl.-Geist-Kirche in München. Durch seine
freimütigen Predigten fiel er einem Mann auf, der damals den kurfürstlichen
Auftrag hatte, die Schulen zu reformieren, und der für diese Aufgabe tüchtige
Mitarbeiter zu gewinnen suchte, Heinrich Braun. Der Fürsprache Brauns verdankte
Bucher eine steile Karriere: Er wurde zum Direktor der deutschen Schulen in München,
1773 auch noch zum Rektor des Gymnasiums. Bucher entwarf ein Konzept, das das
bloße Auswendiglernen überwand und auch im Religionsunterricht Begründungen
gab. Als neues Fach nahm er Französisch in den Lehrplan des Gymnasiums auf und
verfasste selbst einen „Grundriss der Naturgeschichte“. Erklärtes Ziel seiner
mit Begeisterung begonnenen Reformen war es, dass man in der Schule etwas für
das Leben lernen solle. Bald jedoch sah sich der pädagogische Neuerer heftigen
Angriffen derer ausgesetzt, die sich getroffen fühlten; Wortführer dieser
Gruppe war Buchers ehemaliger Lehrer, der Exjesuit Gruber, der ihn mit groben
Vorwürfen überhäufte (so nannte er ihn einen „akademischen Prahlhans“), auf die
Bucher mit der ihm eigenen Ironie antwortete. Leider
trübte sich jedoch auch das Verhältnis zu dem energischen und schwierigen Braun
erheblich, und es kam zu persönlichen Auseinandersetzungen zwischen ihm und
Bucher. Als daher Braun Direktor des ganzen Gymnasialunterrichtswesens wurde,
trat Bucher als Rektor des Gymnasiums zurück und behielt nur die Stelle als
Leiter der deutschen Schulen. In den „Beiträgen zu einer Schul- und Erziehungsgeschichte
in Bayern“ spiegelt sich sein heftiger Kampf mit Braun. Die eben beschriebene
Situation sollte sich jedoch bald auf anderer Ebene wiederholen: Nach dem Tod
des Kurfürsten Max III. Joseph erreichte es Braun beim Kanzler Kreittmayer, dass ihm auch die deutschen Schulen unterstellt
wurden. Wieder schwebte Bucher in der Gefahr, der Untergebene seines heftig
befehdeten Gegenspielers zu werden. Um dieser für ihn peinlichen Situation zu
entgehen, bewarb er sich um eine Pfarrstelle, die eben durch den Tod ihres
bisherigen Inhabers frei geworden war, und erhielt sie, nachdem er schon vorher
zum Geistlichen Rat ernannt worden war. So wurde Bucher Pfarrer in
Engelbrechtsmünster. Über seine Tätigkeit als Rektor in München aber schrieb
sein Freund Westenrieder begeistert: „Diese Epoche war
unvergleichlich, sie wird immer unvergesslich und einzig sein.“ Rückzug nach Engelbrechtsmünster Im
Oktober 1778 zog sich der fanatisch bekämpfte, aber auch vielgerühmte
Bildungsreformer aus den Auseinandersetzung in der Hauptstadt in das stille
Engelbrechtsmünster zurück, das nun für mehr als 34 Jahre seine Heimat sein
sollte. Hier entstanden seine Satiren, die ihm den Beifall der Zeitgenossen einbrachte.
Engelbrechtsmünster war damals eine bedeutende Pfarrei, die lange Zeit nur den
Adeligen vorbehalten blieb. Von den Pfarrern vor Bucher wurde Graf Franz von
Wartenberg 1631 der letzte Bischof von Verden. Einer
seiner Nachfolger, Friedrich von Schreiber, wurde gar zum Erzbischof von
Bamberg ernannt. Von Anfang versuchte Bucher
in Engelbrechtsmünster das soziale und geistige Niveau zu heben. Er
verstand es, aus seiner Schule eine Musterschule zu machen, so dass ihm 1784
die Schulinspektion des Dekanats Geisenfeld übertragen wurde. Als Voraussetzung
jeglicher Bildungsreform sah er es an, die wirtschaftliche
Lager der Lehrer zu verbessern. Über den Lehrer in seinen Ort schreibt
er: „Er ist Schullehrer, Organist, Kantor, Mesner und Totengräber (!), wenn er
aber nicht eine ergiebige Zulage erhält, muss er noch Drescher, Tagwerker und
Spielmann werden.“ Bald konnte Bucher aber erfreuliche Fortschritte melden:
„meine Schule ist bereits mit einem fleißigen, tüchtigen Schulmann
besetzt...Ich habe auch eine zwar kleine, aber doch nützliche Bibliothek von
Lesebüchern sowohl für den Schullehrer und die Kinder als auch für die Gemeinde...
Wir werden weiter schreiben und neben der Schule, welche Christentum, Lesen,
Schreiben, Sittlichkeit und Grundsätze zur Bestreitung der Vorurteile ihrem
Zögling mitteilt, auch für Knaben eine kleine ökologische und für Mädchen eine
Näh-, Spinn- und Strickschule ... errichten.“ Ein besonderes Ereignis bildeten
alljährlich die Prüfungen, die am Ende des Schuljahres stattfanden. Nachdem die
Schüler, nach Klassen geordnet, von der
Schule in die Kirche gezogen waren, sangen sie dort ein Lied, das sie selbst
mit ihrem Lehrer verfasst hatten. Daran schloss sich eine Rede an, die von
Notizen der Schule für das Leben handelte. Nun folgte die Vorführung der
Kenntnisse. Die Kleinen lasten Texte, welche die Älteren mit eigenen Worten
wiederholen mussten. Seitwärts stand eine Tafel für Probleme der
Rechtschreibung. Geradezu modern mutet es an, dass außer Religion und
Sittenlehre auch die Kenntnis der Unfallverhütungsmaßregeln sowie der
Landwirtschaftlehre geprüft wurde. Die Besten wurde
mit Büchern, einem Bäumchen, Sämereien, einem Messer oder Strickzeug belohnt. Wirtschaftlich
hatte Bucher zunächst mit Schwierigkeiten zu kämpfen. 1780 musste er für die
Ausbesserung der baufälligen Ökonomiegebäude über 4000 Gulden aufwenden. Er
hoffte, dass gute Erntejahre die Rückzahlung des
teilweise geliehenen Gelder ermöglichen würden. Diese Erwartungen erfüllten
sich nicht, so dass er 1781/82 durch ungünstige Witterungsverhältnisse 2000
Gulden verlor. Er war auch nicht imstande, die Summe aufzubringen, die er als Abgabe
an die Dompropstei Regensburg zu entrichten hatte. Als der Dompropst, ein Graf
Lerchenfeld, deshalb eine Klage einreichte, wandte sich Bucher in seiner
Bedrängnis an den Kurfürsten mit der Bitte um Hilfe, die dann auch erfüllt wurde. Mitglied der Illuminaten Bucher
wurde Mitglied des 1776 in Ingolstadt gegründeten Geheimbundes der Illuminaten, dem die führenden Vertreter der Aufklärung
angehörten. So traten Westenrieder und der spätere
Minister Montgelas dem Orden bei, außerhalb Bayerns
gehörten ihm, was wenig bekannt ist, Goethe, Herder, Herzog Carl August von
Weimar und Pestalozzi an. Aber das frei Denken wurde
in Bayern zur Zeit des Kurfürsten Carl Theodor außerordentlich stark behindert
und eingeschränkt. Schließlich wurde der Orden der Illuminaten
entdeckt und verboten. Bucher wurde aus dem Geistlichen Ratsschuldirektorium
entlassen. Carl Theodor schrieb eigens einen Brief an Bischof Anton von
Regensburg, in dem er fordert, dass Bucher sich nicht aus Engelbrechtsmünster
entfernen dürfe, schließlich wurden Buchers Briefe von der Polizei überwacht.
Dass bei der Bespitzelung der fortschrittlich Denkenden der ehemalige Jesuit
Frank die führende Rolle gespielt hatte, steigerte Buchers Abneigung gegenüber
den Jesuiten zu grimmigem Hass. Von Engelbrechtsmünster aus schoss er seine
giftigen Pfeile auf den verhassten Orden ab, den der Papst selbst 1773
aufgehoben hatte, und hielt ihm seine Methoden zur Unterdrückung aufgeklärten
Denkens, seine Intoleranz, seine Förderung des Aberglaubens vor. Was auch immer
gegen die Jesuiten gesagt wurde: Die heftigsten Angriffe stammen vom Geistlichen
Rat Bucher. Man titulierte ihn scherzhaft als „Jesuitenfresser“. Für
die Schärfe der von Bucher verfassten Schriften spricht das folgende Zeugnis.
1792 berichtet ein Geheimagent an die französische Regierung: „1774 bis 1784
wurde eine Menge Schriften in Bayern herausgegeben und mit Eifer vertrieben,
welche in mancher Hinsicht selbst der französische Revolutionszeit würden Ehre
gemacht haben, z.B. „Die Karfreitagsprozession“, „Das Portiunculabüchlein
“, deren Satiren nach Voltaires Art ihrem Verfasser Bucher viel Ehre und...auch
jetzt noch beim Volk viel Einfluss schafften.“ Im
Jahre 1796 wurde auch Engelbrechtsmünster durch die Kriegsereignisse in
Mitleidenschaft gezogen. Zunächst musste Anton von Bucher in seinem Pfarrhof 20
französische Offiziere aufnehmen. Nachdem unweit des Kastlbergs
die Franzosen gesiegt hatten, kamen „befreundete“ Österreicher und Bayern durch
Engelbrechtsmünster, erpressten unter Androhung der Brandschatzung viel Geld
von ihm und bedrohten sein Leben. Schließlich nahm ihm die französische
Artillerie die besten Pferde aus dem Stall, von seinen 30 Rindern blieben ihm
lediglich 13 übrig, der Rest war requiriert worden. Im Jahre 1809 waren wieder
Franzosen bei Bucher einquartiert, doch scheinen sich damals keine
Schwierigkeiten ergeben zu haben. Nach der Zerschlagung des sogenannten „Illuminatenordens“ schloss sich Bucher der
„Patriotenpartien“ an; auch sie vertrat die Ideale der Aufklärung. Wir
unterscheiden in ihr, zwei Richtungen, einen gemäßigteren Flügel, der für eine
Beschränkung der Macht der Fürsten durch einen Landtag eintrat, und einen radikaleren,
der eine süddeutsche Republik forderte. Welcher der beiden Gruppierungen Bucher
näher stand, lässt sich schwer sagen. Ob seine Bemerkung „Rebellion! Nein! Da
denkt kein Deutscher dran. Sie sind zu schlafmützig für eine Revolution.“ Es
rechtfertigt, ihn dem energischeren Teil der Partei zuzurechnen, erscheint
zumindest zweifelhaft. Der alte Bucher In
manchen Punkten wandelten sich Buchers Auffassungen im Laufe der Jahre und
wurden milder. Die rigorose Haltung der Aufklärung wurde durch die
Lebenserfahrung korrigiert. Als das Ministerium Montgelas,
die Rosenkränze und Litaneien verbieten wollte, trat er für sie ein, was er in
seiner Jugend sicher nicht getan hätte. Freilich sieht er in dieser Art von
Frömmigkeit auch jetzt nicht das Wesentliche des christlichen Glaubens; so
schreibt er, er sei davon überzeugt, „dass nur ein christlicher Lebenswandel
und keine Litaneien in der Welt eine glückliche Sterbestunde gewähren können“. Aus
seinen späten Jahren werden auch einige kleine Anekdoten überliefert. So
belehrte ihn einmal ein Besucher, wie
man die Landwirtschaft richtig betreiben müsse. Bucher hörte sich die Erklärungen
einige Zeit schweigend an, dann unterbrach er den klugen Sprecher mit der
Frage: „wie groß ist denn die Ökonomie, die Sie haben?“ Als dieser entgegnete,
er habe überhaupt keine, meinte Bucher trocken: „Drum!“ Schließlich
kamen die Gebrechen des Alters. Traurig stellt er fest: „Mit mir wird es
täglich elender. Ich werde auf meinen Füßen so schwach, dass ich bis zur Kirche
hart gehe...ich schnaufe hart und spreche unvernehmlich aus Mangel an Zähnen.
Es geht gewaltig bergab, ich sehe auch bald den Tod für meinen Freund an.“ Der
Gerstensaft schmeckte ihm auch nicht mehr so recht: „Das Bier ist bei uns
liederlich, doch saufen sich meine lieben Herrn täglich wanzenvoll.“ Wegen
seiner Krankheit muss er sich dazu entschließen, die große Pfarrei Engelbrechtsmünster
aufzugeben. 1813 verkaufte er die Pferde und Rinder, seinen Hund nimmt er mit,
den Kater lässt er da, der Stubenvogel ist schon vorher „zu seinen Vätern
heimgegangen“, wie Bucher es formuliert. Bucher
bewarb sich um eine Stelle als Benefiziat bei St.
Peter in München. Aber es erwies sich als unsicher, ob er sie erhalten würde;
offenbar wurden Einwände erhoben, seine Gegner hatten ihm wohl so manche
Äußerung nicht verziehen. Die Argumente freilich, die gegen Bucher vorgebracht
wurden, waren mehr als kümmerlich. So
sollte die Tatsache zu seinen Ungunsten
sprechen, dass sich Protestanten und deren Frauen für ihn interessierten. Da
versprach die tatkräftige und hilfsbereite Gräfin Maria von Arco,
die in Geisenfeld Besitzungen hatte, und Bucher näher kannte, sich für ihn
einzusetzen. Ihre Fürsprache hatte schließlich den gewünschten Erfolg. 1813
übergibt Bucher die Pfarrei Engelbrechtsmünster seinem Nachfolger. Vier Jahre
lebt er noch als Benefiziat von St. Peter in München.
Am 7. Januar 1817 stirbt er 71-jährig in seiner Wohnung am Heumarkt an
Altersschwäche. Nach drei Tagen wird er um vier Uhr nachmittags auf dem Alten
Südfriedhof zur letzten Ruhe gebettet. Sein Grab befindet sich an der Ostmauer,
nicht allzu weit von dem seines Freundes Westenrieder
entfernt. Im
Jahre 1819 erschien der 1.Band seiner gesammelten Werke, 1822 war die Ausgabe
abgeschlossen. Sie wurde 1835 nachgedruckt; später ließ das Interesse des
Publikums nach, was leicht zu erklären ist: Im Wesen der Satire liegt es,
bestimmte Missstände anzuprangern. Wenn sich aber die Verhältnisse und
Zeitumstände gewandelt haben, verlieren jene Werke ihre Anziehungskraft. Mehr
als jede andere literarische Gattung ist die Satire an ihre Zeit gebunden, die
sie doch so heftig bekämpft. |